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Schöningen.  Als Tänzerin hat die Schöningerin tolle Erfolge gefeiert, allen voran mit der Formation Imagination. Nun hat sie eine neue Passion gefunden.

„Denke groß ­– der Spruch passt zu mir“, sagt Julia Ostermeyer ­– und muss lachen. Doch es ist keine Übertreibung: Sie hat in ihrem Leben schon oft erst groß geträumt, dann groß gedacht ­– und am Ende Großes geleistet. Nicht umsonst ist sie wohl allen Tänzerinnen im Kreisgebiet, und auch vielen noch weit darüber hinaus, ein Begriff, sobald es um Jazz- und Modern Dance geht.

Denn Julia Ostermeyer führte die Formation Imagination mit in die 1. Bundesliga und dort auf den zweiten Platz. Später übernahm sie die Abteilungsleitung beim TC Schöningen und ist in Summe einer der Gründe dafür, dass ihr Sport im Kreis Helmstedt so ein großes Thema ist. Inzwischen hat die heute 41-jährige zweifache Mutter das Kapitel Tanzen zugeschlagen ­– und gerade damit begonnen, eine neue Geschichte zu schreiben.

Eine kleine Prise Glück – und extrem viel Trainingsfleiß

Selbst wer Großes leistet, fängt irgendwann einmal ganz klein an. Im Fall von Julia Ostermeyer war das im Alter von sechs Jahren. „Damals haben wir in der Nähe von Einbeck gewohnt – und ich habe mit dem Ballett angefangen“, erinnert sie sich. Doch bald schon stand eine große Veränderung an: Ihr Vater hatte einen neuen Job angenommen, weshalb es die ganze Familie nach Schöningen zog. Das jähe Ende der Tanzkarriere? Mitnichten: „Als wir mit meiner Trainerin darüber gesprochen haben, stellte sich heraus, dass es kein Problem gibt.“ Denn ausgerechnet in Schöningen war ein weiterer Standort der Tanzschule – eine glückliche Fügung.

Zu dieser Zeit drehte sich in Ostermeyers Leben aber noch nicht alles ums Tanzen: Tennis, Leichtathletik, Schwimmen und mehr: „Ich musste immer in Bewegung sein“, blickt die 41-Jährige mit einem Schmunzeln zurück. Doch als sie 15 Jahre alt war, ereigneten sich gleich zwei wegweisende Dinge: Sie absolvierte ein Probetraining bei Imagination – und traf dadurch zum ersten Mal Heike Langenheim, die sie fortan fördern und zur Höchstleistung führen sollte. Ostermeyer hatte Jazz- und Modern Dance für sich entdeckt und sich von da an dem Tanzsport voll und ganz verschrieben.

Gleich in ihrer ersten Saison beim TC Schöningen gab es die nächste glückliche Fügung: „Ich war als Reservetänzerin dabei. Aber: Die Erstbesetzung konnte aus beruflichen Gründen nur bei einem Turnier mit dabei sein“, erzählt Ostermeyer, die dadurch direkt einen Großteil der Saison mit auf der Bühne stand. Dass sie dabei eine gute Figur machte, war aber nicht das Resultat von Glück, sondern von harter Arbeit. Der Sprung war enorm, die Anforderungen waren hoch. „Ich habe abends oft geweint. Ich dachte, ich werde, ich kann das nicht schaffen“, berichtet sie aus dieser Zeit. Aber Julia Ostermeyer biss die Zähne zusammen ­und trainierte unablässig für ihre neue große Leidenschaft.

Der verdiente Lohn stellte sich mit der Zeit auch ein: Sie erarbeitete sich einen festen Platz im Team, im Jahr 2000 gelang dann mit Imagination der Aufstieg in die 2. Bundesliga. Bald war Julia Ostermeyer die Mannschaftsführerin der Formation, die nun Erfolg über Erfolg verbuchte: Aufstieg in die Bundesliga, Top-Platzierungen in dieser und bei deutschen Meisterschaften ­– Vizeweltmeister! Die Liste der herausragenden Leistungen ist lang (siehe Infokasten).

All diese Erfolge waren das Produkt von hartem Training. Fünf oder gar sechs Mal die Woche an der Choreo arbeiten, jeden Ablauf feinschleifen und bis zur Ermüdung proben, damit alles im entscheidenden Moment perfekt funktioniert: Das war keine Ausnahmesituation vor einer Weltmeisterschaft, sondern der Alltag. Wer groß denkt ­– der muss eben auch großen Aufwand betreiben. Dessen war sich Julia Ostermeyer bewusst. „Alles war dem Tanzen untergeordnet.“ Wenn dann mal keine Liga- oder Wettkampfturniere anstanden, waren oft Auftritte und ähnliches angesagt – irgendwie musste die Amateur-Formation ja auch das nötige Kleingeld verdienen, um auf der ganz großen Bühne mittanzen zu können.

Deutschlandkarte mit Erinnerungen, Aufstieg dank Bruce-Willis-Stimme

Wegen des rappelvollen Terminkalenders konnte Ostermeyer all die großen Events und Leistungen während ihrer Laufbahn gar nicht wirklich genießen. „Ich habe ja dafür auch fast jeden Tag trainiert. Irgendwie war es für mich dann auch klar, fast selbstverständlich, dass das dabei herauskommen muss“, meint sie. Heute ist das anders. „Mit dem Abstand weiß ich das alles einzuordnen und kann realisieren, was das für eine geile Zeit war ­– all die tollen Menschen und Orte, die ich kennenlernen durfte, all die tollen Erfahrungen, die ich sammeln durfte.“ Allein der Blick auf eine Deutschlandkarte sorge schon für Freude, „weil ich so viele Orte sehe, an denen ich schon getanzt habe“.

Entsprechend viele Geschichten und Anekdoten gäbe es zu erzählen. Da wäre beispielsweise die zur Entstehung einer der erfolgreichsten Choreografien. „Ich habe damals bei der Zeitung gearbeitet. ­Eines Tages landete eine CD in der Redaktion“, schildert die Erfolgstänzerin. Darauf trugen Synchronsprecher von Hollywoodschauspielern deutsche Lyrik vor, „unter anderem Hyazinthen, gesprochen von der Stimme von Bruce Willis.“ Das Werk gefiel Ostermeyer auf Anhieb – und sie konnte auch Trainerin Heike Langenheim dafür begeistern. Kurzerhand wurde eine Choreografie dazu entwickelt, die für Imagination die Basis für einen durchschlagenden Erfolg lieferte: Das Schöninger Team schaffte damit den Aufstieg in die Bundesliga.

Das Jahr 2011 hielt derweil eine besondere Familiengeschichte für Julia Ostermeyer parat. Zwar hatte sie schon seit 2000 gemeinsam mit ihrer Schwester Anja bei Imagination getanzt, aber bislang eben nur in der Formation. „Eigentlich mag ich das auch viel lieber, mit der Mannschaft auf der Bühne zu stehen. Ich kann zwar ruhig vorne in der Mitte stehen – aber bitte eben nicht ganz alleine.“

In 2011 wagte sie es dann doch fast ganz alleine. Mit ihrer jüngeren Schwester nahm sie erfolgreich am Deutschlandpokal teil, das Duo löste das Ticket zur WM in Polen. Letztlich sprang für die Schwestern Platz 8 und eine einzigartige Erinnerung heraus: „Mit meiner Schwester bei einer Weltmeisterschaft alleine auf der Bühne zu stehen – das war schon ganz besonders, das war einfach das Größte“, erinnert sich Julia Ostermeyer noch heute euphorisch an diese Titelkämpfe.

Ein Jahr später fiel für sie aber der letzte Vorhang als Tänzerin von Imagination. „Ab 26 Jahren ist man bei uns im Tanzen ja schon langsam alt“, meint sie mit einem Augenzwinkern. Inzwischen war Ostermeyer Mutter geworden, nach vielen Jahren in der Formation konnte sie den ganz großen Aufwand nicht mehr leisten und brauchte erst mal eine Pause („Ich habe ein Jahr lang keine Sporthalle betreten“).

Dann aber erreichte sie in Gesprächen mit Verbandsvertretern, dass die Hauptgruppe II für eben nicht mehr ganz junge Tänzerinnen auf höchster Ebene eingeführt wird. Mit ihrer Schwester Anja sowie drei weiteren Weggefährtinnen schloss sie sich zur „Task Force Dance“ zusammen – und das Quintett sammelte gleich drei deutsche Meistertitel in Folge. „Wir alle waren ja ehemalige WM-Tänzerinnen“, erklärt Ostermeyer – gegen so viel geballte Tanzkompetenz hatte die Konkurrenz kaum eine Chance.

Während sie diesen „goldenen Herbst“ ihrer tänzerischen Laufbahn erlebte, war sie abseits der Auftritte schon längst in eine verantwortungsvolle Rolle geschlüpft, nämlich als Abteilungsleiterin beim TC Schöningen. Über Nacht musste sie den Posten übernehmen, „aber eigentlich bin ich dafür nicht gemacht. Ich stehe lieber auf der Bühne“, gibt sie unumwunden zu. Zu ihren Aufgaben gehörte insbesondere die Organisation der diversen Events der Sparte. Oder wie es die 41-Jährige nennt: „Ich habe Heikes Erbe verwaltet.“

Dressurreiten – das ist wie „fast wie Ballett, nur eben im Sattel“

Im Herbst letzten Jahres endete aber jene Tanzsportgeschichte, die für ein kleines Mädchen 1985 beim Ballett begonnen hatte: Julia Ostermeyer trat als Abteilungsleiterin zurück. Ursache war das Aus von Imagination beim TC mangels Nachwuchs. „Früher war für die Mädchen Imagination immer das große Ziel. Wer konnte, ist aufgerückt.“ Heute würden die Tänzerinnen aber lieber als eine Mannschaft zusammenbleiben, wodurch sich das Talent eben nicht auf eine Formation konzentriert ­– und dem Topteam der Nachwuchs fehlt. Das entsprach dann auch nicht der Philosophie von Ostermeyer, die eben immer Vollgas für beste Leistungen gegeben hatte. Ihr Rücktritt war also fast die logische Konsequenz.
Die zweifache Mutter hat inzwischen aber eine neue sportliche Leidenschaft für sich entdeckt: das Reiten. „Vor zwei Jahren habe ich mir zu Weihnachten ein Pferd gekauft. Das war die beste Entscheidung meines Lebens“, verrät sie mit einem Lächeln. „Gerade jetzt, in dieser Zeit, ist das auch super, um überhaupt mal etwas rauszukommen.“

Anfangs habe sie es vor allem genossen, dem Reiten ohne Leistungsdruck nachzugehen. Aber der Ehrgeiz der langjährigen Leistungstänzerin ist doch schon wieder ein wenig entfacht. „Mein Pferd ist ein Springpferd, und anfangs fand ich das reizvoller. Aber Dressurreiten ist auch sehr interessant – und fast wie Ballett, nur eben im Sattel...“, erzählt Ostermeyer. Im letzten Jahr habe sie erstmals an einem Turnier teilgenommen, „die nächste Isabell Werth werde ich aber nicht mehr“, fügt sie lachend an. Sicher: Sechs Olympiasiege wird Julia Ostermeyer nicht holen können, einige Prüfungssiege womöglich aber schon. Ganz ohne „groß zu denken“ geht es eben auch bei ihrer neuen sportlichen Leidenschaft nicht...

Quelle: Helmstedter Nachrichten vom 13.03.2021

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